Imageanalyse Erzgebirge
Wie attraktiv ist das Erzgebirge für Bewohner, Zuwanderer, Touristen und Unternehmen?
Wie attraktiv ist das Erzgebirge für Bewohner, Zuwanderer, Touristen und Unternehmen?
Regionen stehen im harten Wettbewerb um Fachkräfte. Die Bevölkerungsprognosen zeichnen für den Erzgebirgskreis ein erschreckendes Bild mit weiteren Verlusten von ca. 17 Prozent bis 2035. Damit Einwohner bleiben und Zuwanderer in die Region ziehen, muss man sowohl von innen als auch außen als attraktiv wahrgenommen werden. Wie steht es also um das Bild, das man vom Erzgebirge hat? Trägt es dazu bei, das Fachkräfteproblem zu lösen oder schreckt es eher ab?
Haben Sie sich schon einmal Gedanken gemacht, wie Sie auf andere wirken oder wo Ihre Stärken und Schwächen liegen? Genau solche Fragen kann man sich auch als Region stellen. Dieses Vorstellungsbild - das sogenannte Image - das andere von einer Region oder einem Menschen haben, stimmt nicht unbedingt mit der Realität oder der eigenen Einschätzung überein. Und auch wenn die Probleme bekannt sind: Die Stellschrauben im Regionalmarketing sind begrenzt, wenn beispielsweise schlechte ÖPNV-Anbindungen ein Kernproblem der Region sind. Ein Ansatzpunkt ist viel eher, positiv wahrgenommene Kriterien der Lebensqualität stärker in den Mittelpunkt von Marketingkampagnen zu rücken.
Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen, führte das Regionalmanagement Erzgebirge in 2022 mit finanzieller Unterstützung aus der FR-Regio-Förderung eine repräsentative Imageanalyse durch. Das beauftragte Marktforschungsinstitut Conoscope aus Leipzig untersuchte das Image sowohl innerhalb der Bevölkerung als auch der Unternehmerschaft und differenzierte nach regionaler Herkunft. Insgesamt nahmen 3.873 Privatpersonen und 609 Unternehmer an der Befragung teil. Vorgelagerte Analysen hatten gezeigt, dass das Bild des Erzgebirges in den letzten Jahren einige Kratzer bekommen hat. Sowohl in der Auswertung der medialen Berichterstattung als auch im Rahmen einer Vorstudie wurde deutlich, dass insbesondere die Ergebnisse der Bundestagswahl 2021 dazu beigetragen hatten, die Attraktivität des Erzgebirges zu verschlechtern als auch die Willkommenskultur negativ zu bewerten. Wenn Menschen die Region nicht persönlich kennen und ausschließlich aufgrund eines schlechten Images bewerten, kann die zwingend notwendige Zuwanderung von Fachkräften nur schwer gelingen.
Dr. Peggy Kreller
Geschäftsführerin
+49 3733 145 101
Das Projekt wurde vom Sächsischen Staatsministerium für Regionalentwicklung nach der Richtlinie FR-Regio gefördert. Es wird mitfinanziert mit Steuermitteln auf Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.
Besonders positiv schneidet das Erzgebirge im Hinblick auf die Verbundenheit der Menschen mit der Region ab. Während sich im deutschen Durchschnitt 68 % stark mit ihrer aktuellen Wohnregion verbunden fühlen, sind es im Erzgebirge 80 %, in Sachsen noch 75 %. Im Marketing erleichtert es die hohe Identifikation potenzielle Rückkehrer anzusprechen. Allerdings hat sie auch Schattenseiten bei der Integration von Fremden.
Befragt nach verschiedenen Kriterien der Lebensqualität am Wohnort sowie deren Wichtigkeit, punktet das Erzgebirge wie auch in der letzten Imageanalyse 2015 insbesondere im Hinblick auf Landschaft und Natur mit einer Note von 1,5 und einer Gewichtung von 71 % bei den Erzgebirgern. Ebenfalls als sehr positiv und wichtig wurde die Freundlichkeit des Umfelds als auch die Sicherheit im Alltag eingeschätzt. Am schlechtesten schnitten Kriterien wie Verdienst- und Karrieremöglichkeiten sowie die ÖPNV-Anbindung mit Noten von 3,3 bzw. 3,1 ab. Beide Kriterien sind im Vergleich mit 32 % bzw. 39 % jedoch weniger wichtig - im Gegensatz zu Themen wie der medizinischen Versorgung (2,8) sowie den Lebenshaltungskosten (2,6). Im gesamtdeutschen Vergleich ist diese Note jedoch ein Aspekt, bei dem die Region für Zuwanderer attraktiv ist, denn die Lebenshaltungskosten werden anderswo deutlich schlechter bewertet.
Gefragt nach den Markenwerten der Dachmarke Erzgebirge, schneidet die Region vor allem im Hinblick auf die Eigenschaften „ursprünglich“ und „verwurzelt“ mit der Note 2,0 am besten ab, gefolgt von „zupackend“ (2,4), „belebend“ und „unverstellt“ (jeweils 2,5). Vor allem die Erzgebirger empfinden ihre Region als verwurzelter und zupackender als der Rest der Befragten. Als attraktiver Wohn- und Arbeitsort erreicht die Region die Note 2,7 und verändert sich damit nicht zur letzten Befragung. Hinterfragt man die Gründe für eine schlechte Attraktivität, hat es für Erzgebirger in 64 % der Fälle berufliche Ursachen wie fehlende oder passende Jobangebote; zu 43 % spielt das soziale Miteinander eine Rolle, zu 41 % politische Gründe. Aus Sicht deutscher Unternehmer sind die geringe Attraktivität für Fachkräfte sowie eine mangelhafte Verkehrsinfrastruktur und Erreichbarkeit die größten Standortnachteile des Erzgebirges.
Eine Frage zum Image bezog sich auf die mediale Berichterstattung der letzten Jahre, um herauszufinden, ob diese die Attraktivität des Erzgebirges als Wohn- und Arbeitsort nachhaltig verändert hat. Für fast die Hälfte der Bevölkerung veränderten Medienberichte die Wahrnehmung ins Positive, nur bei 14 % ins Negative. Die größte positive Wirkung erzielten dabei Informationen, die den Start innovativer Projekte im Erzgebirge im Fokus hatten oder in denen sich die Region gegen das Querdenker-Nazi-Image wehrte, aber auch die Dreharbeiten zum Erzgebirgskrimi oder die geringe Kriminalität sind positive Imagetreiber. Den größten negativen Einfluss auf die Attraktivität des Erzgebirges hatten die Ergebnisse der Bundestagswahl, bei der bis zu 30 % AfD wählten.
Womit verbinden die Menschen am ehesten das Erzgebirge? Wie schon 2015 führen Natur, Volkskunst, Tourismus und Weihnachten die Top Nennungen an. An einen Industrie- und Wirtschaftsstandort denken nur 2,2 % der Befragten. Für die Sachsen ist dieser Aspekt noch weniger von Bedeutung als für Menschen aus den alten Bundesländern – aus sächsischer Sicht ist das Erzgebirge vor allem Destination für einen Kurzurlaub oder Tagesausflug. Es muss zukünftig über die eigenen Bemühungen hinaus gelingen, im Rahmen von Fachkräfte-Kampagnen des Freistaates als attraktiver Wirtschaftsstandort und lebenswerte Region für Zuwanderer wahrgenommen zu werden. Denn ein ähnliches Bild zeigt sich auch im Hinblick auf bekannte Wirtschaftszweige: Hier führen Handwerk, Kunsthandwerk, Volkskunst gefolgt von Bergbau und Tourismus/Gastgewerbe das Ranking an. Dabei sind fast ein Drittel aller Beschäftigten im Erzgebirge im verarbeitenden Gewerbe tätig - im Vergleich zu drei Prozent im Gastgewerbe, was die große Diskrepanz zwischen Realität im Image am besten verdeutlicht. Im Gegensatz zur Bergbaufolgeindustrie, in denen viele Hidden Champions im Erzgebirge erfolgreich tätig sind, spielt der Bergbau als Wirtschaftszweig nur eine untergeordnete Rolle.
82 % der Bevölkerung und 89 % der Unternehmer im Erzgebirge würden ihre Heimat als Urlaubsregion weiterempfehlen, als lebenswerte Region sehen sie 73 % bzw. 82 %. Das Erzgebirge als Region für Fachkräfte empfiehlt nur jeder Zweite aus der Bevölkerung und über zwei Drittel der Unternehmer weiter. Aus verschiedenen Kennzahlen wurde in der Analyse final ein Index entwickelt, um herauszufinden, welche Bevölkerungsgruppe die besten Promotoren fürs Erzgebirge sind. Es sind damit die sogenannten Hierbleiber, die am meisten fürs Erzgebirge brennen, andere für ein Leben hier begeistern und damit schon längst inoffizielle Botschafter des Erzgebirges sind.
Die Ergebnisse der Imageanalyse wurden in den vergangenen Monaten in verschiedenen Runden diskutiert und fließen in die weitere strategische Ausrichtung von Regionalentwicklung und Fachkräftesicherung ein.