Von Spanien ins Erzgebirge: MENNEKES Elektrotechnik Sachsen GmbH bildet erstmals zugewanderten Jugendlichen aus
Welcome Center Erzgebirge bietet Unterstützung als Lotse für Unternehmer und Zuwanderer
Im Erzgebirge arbeiten und leben bereits heute Menschen aus anderen Teilen Deutschlands und verschiedenen Nationen der Welt. Sie haben hier eine attraktive Arbeit gefunden und ihr berufliches Können ist geschätzt und gefragt. Jedoch gilt es manchen Stolperstein zu überwinden, um ausländische Mitarbeiter und Auszubildende einzustellen und langfristig zu binden. Die Firma MENNEKES Elektrotechnik Sachsen GmbH aus Neudorf hat sich dennoch bewusst zu diesem Schritt entschieden. Gemeinsam luden das Unternehmen, Arbeit und Leben Sachsen e.V. sowie die Wirtschaftsförderung Erzgebirge GmbH kürzlich Personalverantwortliche und Geschäftsführer aus dem Erzgebirge zu einem Unternehmertreffen ein. Im Mittelpunkt der Diskussionen stand dabei am Beispiel der MENNEKES Elektrotechnik Sachsen GmbH das Thema, wie zugewanderte Auszubildende in Unternehmen integriert werden können.
Das Unternehmen MENNEKES in Neudorf mit Schwerpunkt auf Produktion von Kunststoffspritzteilen sowie Edelstahlgehäusen für Steckdosenkombinationen und Ladestationen für die Elektromobilität wächst kontinuierlich. Da sind neue Gesichter im 130-köpfigen Team keine Seltenheit. Seit 2014 findet man in den Reihen der Kollegen ein neues Gesicht, das allerdings anfangs die Aufmerksamkeit seiner Kollegen auf sich zog: Juan Eusse Negron. Sprachliche Barrieren, eine fremde Mentalität, die Sorge, wie das so wird mit einem ausländischen Mitarbeiter, standen von Anbeginn der Chance gegenüber, eine neue Fachkraft durch das Gehen außergewöhnlicher Wege zu gewinnen – und vielleicht sogar Horizonte zu erweitern. „In unserer Muttergesellschaft im Sauerland haben etwa 10 Prozent der Mitarbeiter eine nicht deutsche Nationalität. Wir sind grundsätzlich ein weltoffenes Unternehmen! Hier am Standort im Erzgebirge ist für die Kollegen die Erfahrung mit ausländischen Mitarbeitern jedoch noch weitestgehend Neuland“, erzählt Geschäftsführer Paulinus Pauly. Dabei sei die Offenheit für Zuzügler notwendig, um den Fachkräftebedarf der Unternehmen der Region perspektivisch zu sichern. „Viele Personalverantwortliche begreifen die besondere Ausprägung des demografischen Wandels im Erzgebirge noch gar nicht. Die Industriebetriebe werden die nächsten Jahrzehnte nur überstehen, wenn man einen Mix aus Einheimischen und Zugezogenen zulässt“, mahnt Pauly, der vor zehn Jahren selbst als „Neuer“ ins Erzgebirge kam.
Sorge um Fachkräfte-Nachwuchs fordert zu neuen Wegen heraus
Ein Blick zurück: Die Firma MENNEKES engagiert sich seit Jahren stark innerhalb der regionalen Berufsorientierung, nimmt an Ausbildungsmessen sowie der jährlichen „Woche der offenen Unternehmen“ teil und öffnet Tore für Schülerakademien. Was trotzdem bleibt, ist die immer größer werdende Sorge, geeigneten Nachwuchs zu finden, um die eigenen Fachkräfte von der Pike auf auszubilden. Das Thema Arbeitslosigkeit von spanischen Jugendlichen in den Medien rüttelt Paulinus Pauly auf und sät den Gedanken, einem Jugendlichen von dort eine Chance zu geben. Ein paar Zufälle später lernen sich beide kennen – zu spät allerdings für den Geschäftsführer, um von Förderprogrammen wie „Mobi Pro“ zu profitieren, da diese bereits ausgeschöpft sind. So verzichtet der Unternehmer auf staatliche Zuschüsse und engagiert sich trotzdem – Schritt für Schritt. Paulinus Pauly informiert seine Mitarbeiter, nimmt sowohl Skeptiker als auch Befürworter von Anfang an mit: „Trotzdem bleibt das Projekt in sehr vielen Fällen Chefsache – sonst ist es zum Scheitern verurteilt.“
Welcome Center Erzgebirge als Lotse durch den Fragendschungel
Wo wird er wohnen, welche Interessen hat er, wie kann man den jungen Mann in Vereine, ins Leben hier integrieren? Der Fragenberg war groß, die Sprache das anfängliche Hauptproblem – wenn auch Juan die Werkhalle schon nach zwei Tagen mit einem herzlichen „Glück auf“ betrat. Paulinus Pauly investierte mit einem Team von Mitarbeitern viel Zeit in die Phase des Ankommens und der Integration des Spaniers. Heute wird genau an diesem Punkt das Welcome Center Erzgebirge - eine Dienstleistung der Wirtschaftsförderung Erzgebirge GmbH für Unternehmen - aktiv. Von der Fachkräfterichtlinie des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr für drei Jahre „anschubfinanziert“ versteht sich das Zentrum als Anlaufstelle für erzgebirgische Unternehmen und Zuwanderer aus dem In- und Ausland, die in der Region arbeiten und leben möchten. „Wir wollen als Lotse Bindeglied zwischen den Unternehmen, den Neuankömmlingen und den Institutionen sein. Durch persönliche Betreuung erarbeiten wir individuelle Lösungen und stellen unkompliziert Kontakte zu den Fachstellen, unseren Partnern her. Schließlich gestaltet sich jeder Fall in seinen Formalitäten und Lebensumständen ganz unterschiedlich“, erläutert Christoph Wagner, Ansprechpartner im Welcome Center Erzgebirge den Unternehmern. Man wolle ermutigen und unterstützen, in den Unternehmen und so in der Region Erzgebirge eine Willkommenskultur aufzubauen.
Tony Strunz vom ARBEIT UND LEBEN Sachsen e.V. stellte den Gästen beim Unternehmertreffen eine weitere Möglichkeit vor, in Firmen die Herausforderung der Integration anzupacken. Der Verein qualifiziert Mitarbeitende im Unternehmen, die den Integrations- und Einarbeitungsprozess ausländischer Fachkräfte und Auszubildenden begleiten. Im Fokus dabei stehen die Stärkung der Kommunikations- sowie Sozialkompetenzen, Hilfestellung bei der Konfliktbewältigung und Unterstützungsmöglichkeiten für die ausländischen Mitarbeiter.
Glücklich im Erzgebirge als gute Basis für eine Zukunft
„Wenn unser Projekt mit Juan funktioniert, kann er künftig eine Brücke für andere mögliche Azubi-Kandidaten aus Spanien sein“, ist sich Pauly sicher. Fragen aus der Unternehmerrunde, wie er absichern will, dass der Auszubildende auch einen Arbeitsvertrag unterschreibt, nimmt der MENNEKES-Chef gelassen: „Diese Garantie habe ich bei einheimischen Auszubildenden doch auch nicht – aber bisher haben sich fast alle bei uns im Unternehmen wohl gefühlt und sind als Fachkraft geblieben.“ Einen Tipp hält er dennoch für Interessenten, die eine ausländische Fachkraft beschäftigen wollen, parat: „Es sollte eher jemand aus einer ländlichen Region als aus einer Großstadt sein – und jemand, der definitiv Winter mag.“ Juan hat sich trotz seiner südlichen Mentalität samt Sonne und Temperament im Erzgebirge gut eingelebt: „Ich habe inzwischen mein Leben mit Freundeskreis hier aufgebaut. Ich bin glücklich hier im Erzgebirge.“
(Quelle: WFE GmbH)