Täglich im TV-Abendprogramm: ein Meisterstück erzgebirgischer Manufakturarbeit
Der Auftrag für das Fernsehstudio war für die Mitarbeiter der Seiwo Technik GmbH ein besonderer. So besonders und einzigartig wie all ihre Aufträge es immer wieder sind. Denn hier kommt nichts von der Stange, keine Designvorlage gleicht der anderen, immer neue Handschriften von Architekten wollen von den 74 Mitarbeitern umgesetzt sein. Bereits Ende 2020 ging der erste Moderatorentisch vom Erzgebirge aus direkt ins Studio von „heute journal“, der zweite wurde vor wenigen Tagen ausgeliefert. Wer also künftig die Tagesnachrichten dort schaut, blickt auf Kompetenz aus dem Erzgebirge. „Wahnsinnig viel Arbeit“ steckt in dem Manufakturprodukt, wie es Dr. Jan Wabst kurz umschreibt. Was er damit meint? Die spektakulären Formen, die allesamt aus einem ausgesuchten Stamm eines amerikanischen Nussbaums entstanden, sind Ergebnis von sehr detailreicher Handarbeit. Das Holz mit der auffälligen Maserung wurde in ein mal ein Zentimeter große Stäbchen geschnitten, die dann wiederum per Hand zu einem Holzblock verleimt wurden. So entstand eine einmalige Optik und durch die Flexibilität der einzelnen Teile ein Schutz vor Rissen. Auf einer 5-Achs-Fräse erhielt jeder Block in sechs bis sieben Schleifvorgängen schließlich die perfekte Haptik. „Aus mehreren Kleinteilen entsteht dann puzzleartig das Gesamtobjekt“, so der Geschäftsführer.
Referenzliste von A wie Arche bis Z wie Zoo Schwerin
Die Liste der Referenzen ist lang, mit denen sich die Seiwo Technik um den Auftrag bewarb. Auf ihr reihen sich die Arche Nebra, das Porsche-Museum und Müritzeum bis hin zum Wellenkanal auf Sylt aneinander. Was aber wohl noch mehr überzeugte, war der starke Mix an klassischen Gewerken innerhalb eines Unternehmens, welche die perfekte Qualität der Produkte absichern. Nicht umsonst setzt Jan Wabst in der Mitarbeiterakquise ausschließlich auf Facharbeiter und Meister des Handwerks. Glaser, Tischler, Metallbauer, Elektriker arbeiten hier Hand in Hand. Hier trifft sich das „Who-is-who“ der Handwerksrolle. Das war nicht immer so. Ursächlich war die Seiwo mit Gründung vor 30 Jahren ein reines Metallbauunternehmen mit Schwerpunkt Werbetechnik und produzierte Leuchtkästen, Leuchtbuchstaben, Stelen und Leitsysteme – immer individuell. Als dann aber, etwa zur Jahrtausendwende, das Thema LED-Technik immer stärker auf dem Werbemarkt Fuß fasste, erschloss man neue Märkte. Heute ist Seiwo einer der führenden Museumsbauer deutschlandweit mit dem Anspruch, langlebiges Interieur für Dauerausstellungen zu produzieren. Im Jahr 2019 wuchs das Unternehmen um die Firma Bühnenconcept aus Hohenstein-Ernstthal. Damit erschloss man sich ein völlig neues Standbein, nämlich den Dekorationsbau, der zumeist völlig andere Ansprüche an Belastbarkeit und Lebensdauer hat.
Aus der Region heraus gesund wachsen
Zu ihrem ersten Kunden im Museumsbau schauen die Seiwo-Mitarbeiter heute täglich auf: die Erlebnisburg Scharfenstein, die über dem gleichnamigen Ortsteil der Gemeinde Drebach thront. Danach folgten zunächst weitere Aufträge im Erzgebirge, bevor das Unternehmen mit dem ersten Großprojekt, der Arche Nebra über die Region herauswuchs. Was diese komplexen Aufträge brauchen, ist ein perfektes Hand-in Hand-Arbeiten der Kollegen untereinander. Wer bei Seiwo arbeitet, weiß, dass kein Tag wie der andere ist. „Die Mitarbeiter schauen über ihre Gewerke hinaus. Und auch das Thema Digitalisierung macht vor dem Handwerk nicht halt. Wir wollen Trends immer zeitig angehen, müssen also alle technologieoffen sein“, erklärt Wabst. So arbeiten Fachleute aus der Planungsabteilung und klassische Produktdesigner mit Maschinen- und Holzbauingenieuren Tisch an Tisch. 14 Mitarbeiter tüfteln an den Plänen, nach denen dann in der Werkhalle die Umsetzung erfolgt. Aktuell steht zum Beispiel die Frage im Raum, wie ein 100 qm großes Schwerlastpodest nicht nur schick aussehen, sondern später im Deutschen Museum München ein Flugzeug Junkers JU 52 tragen kann. Die Ausstattung des Museums in München mit Vitrinen, Podesten und interaktiven Bereichen ist das bisher umfangreichste Projekt der Erzgebirger. Und der nächste Auftrag in der Landeshauptstadt Bayerns steht schon in den Startlöchern: Der Bayrische Rundfunk baut ein neues Sendezentrum in München – die Studioausbauten werden made in Erzgebirge sein.
Erzgebirge als Schatzkammer für Tüftler und Ingenieurgeist
Dr. Jan Wabst selbst kam 2014 ins Unternehmen, übernahm nach dem Tod seines Bruders das Ruder. Er spürte schnell: „Das ist eine Perle an Komplexität und in einer Vielfalt, die mich von Anfang an inspirierte“. Und: „Es gibt eigentlich nichts, was die Seiwo nicht kann.“ Das schreibt der Botschafter des Erzgebirges nicht nur seinen kompetenten Mitarbeitern zu, sondern auch der Möglichkeit, gemeinsam mit Forschungseinrichtungen und anderen Unternehmen im Netzwerk immer neue Ideen zu entwickeln, um zukunftsfähig zu bleiben und neue Märkte erschließen. So beschäftigt sich ein Projekt gerade damit, wie Lautsprecher in Zügen künftig so funktionieren sollen, dass die Informationen, beispielsweise zum individuellen Ausstiegsbahnhof, auch nur den einzelnen Fahrgast an seinem Platz erreichen. Lösungen könnten so auch in Kleinserie in den musealen Bereich übertragen werden. Weniger digital, dafür statisch herausfordernd ist eine andere Aufgabe: Ein Scharnier, das in Vitrinen schwere Lasten tragen soll, transparent zu gestalten.
Mit idealen musealen Ausstattungen die Vergangenheit bewahren, dafür sind die Scharfensteiner Experten. Dr. Jan Wabst weiß, dass gerade dieser Erfinderreichtum der Erzgebirger, der Ingenieurgeist, der Drang zum Tüfteln und die Ausdauer, hartnäckig an einer Sache dran zu bleiben, selbst etwas ist, was sich die Menschen hier aus der Vergangenheit bewahrt haben. „Die Erzgebirger mussten durch Wendebrüche über Jahrhunderte in schwierigen Lagen immer wieder dazu lernen, wodurch ein hohes Maß an Kreativität und Fachlichkeit entstand, wie es selten in Europa zu finden ist. Die Menschen hier haben sich mit ihren Fähigkeiten in stiller freudiger Bescheidenheit deutschlandweit einen guten Ruf erarbeitet.“