Staffelstab weitergegeben: Neue Geschäftsführer der Normteile Lindner GmbH
Den Nachfolgeprozess eines Unternehmens erfolgreich zu vollziehen, ist eine schwierige Aufgabe, der sich viele Unternehmer stellen müssen. Nach Schätzungen des Instituts für Mittelstandsforschung in Bonn steht im Zeitraum 2014 bis 2018 in 135.000 Unternehmen die Weitergabe des Staffelstabs an. Auch im Erzgebirge sehen sich immer mehr Unternehmen mit der Nachfolgefrage konfrontiert. Die Normteile Lindner GmbH befindet sich bereits das zweite Mal in der Übergabe und bereitete diese langfristig vor.
Ehrenfriedersdorf, 29. Juni 2016. Am 8. April 2016 fand der Prozess der Unternehmensnachfolge bei der Normteile Lindner GmbH in Ehrenfriedersdorf seinen Höhepunkt: Vor der gesamten Belegschaft übergab die bisherige Geschäftsführerin Karla Lindner symbolisch den Staffelstab an zwei ihrer Kinder, Anett und Jens Lindner. Beide haben damit offiziell die Leitung des Unternehmens als neue Geschäftsführer übernommen. In der 26-jährigen Geschichte des Betriebs wurde so bereits die zweite Nachfolge vollzogen, doch dieses Mal blieb mehr Vorbereitungszeit.
Unternehmensnachfolge Schritt für Schritt vollzogen
Normteile Lindner ist ein Inbegriff für Präzision und effektive Kundenlösungen, wenn es um Zeichnungsteile und Spezialelemente aus verschiedenen Metallen, hochwertigen Edelmetallen und Kunststoffen geht. Gleichzeitig steht das Familienunternehmen für eine Vielzahl von Mitarbeiterleistungen und gesellschaftliche Verantwortung, die wohl die Wenigsten bei einem erzgebirgischen Mittelständler vermuten würden. Auf Basis dieser Säulen – qualitativ hochwertige Produkte und gesellschaftliche Verantwortung – befindet sich das 1990 von Johannes Lindner gegründete und auf CNC-Bearbeitung spezialisierte Unternehmen auf einem stetigen Wachstumskurs. „Entsprechend groß ist die Verantwortung, die mit einer Unternehmensnachfolge einhergeht“, erklärt die bisherige Geschäftsführerin Karla Lindner. „Mitarbeiter, Lieferanten, Geschäftspartner und Kunden müssen eingebunden, Prozesse neu gestaltet oder Kompetenzen umverteilt werden“, zählt die Alt-Chefin die Herausforderungen auf.
Um diesen zu begegnen, begann man bei Lindners bereits vor einem Jahr, die Unternehmensnachfolge vorzubereiten. „Ein Wochenende lang haben wir uns in einem Seminar intensiv mit dem Thema, aber auch uns – meiner Mutter, meiner Schwester und mir – als Unternehmertypen auseinandergesetzt“, blickt Jens Lindner zurück. Darauf aufbauend wurde die Nachfolge vorbereitet. Hierfür haben sich Karla, Anett und Jens Lindner externe Unterstützung gesucht. Im Seminarwochenende lernten sie einen Coach kennen, der sie beim Prozess begleitete. „Wir haben gelernt, unter die Oberfläche zu schauen, unsere Stärken und Schwächen besser zu verstehen und vor allem daraus entstehende Chancen für eine Neuverteilung von Aufgaben abzuleiten“, verdeutlicht Anett Lindner. „Welche Schritte sind wann zu gehen? Wie wollen wir uns, die Mitarbeiter und das Unternehmen zukünftig organisieren? All diese Fragen galt es in den letzten Monaten zu beantworten“, ergänzt Jens Lindner. Nach und nach wurden deshalb die Aufgabenbereiche durchleuchtet, Verantwortung unter den Neu-Geschäftsführern aufgeteilt oder auf Mitarbeiter übertragen, Prozesse im Unternehmen neu organisiert und dabei auch immer wieder das Personal einbezogen. „Wichtig war für uns, dass wir zum einen mit unseren Mitarbeitern an einem Strang ziehen. Zum anderen solle das Unternehmen auch nach dem Ausscheiden von Karla Lindner auf einem festen Fundament stehen“, erklärt Jens Lindner. Mit der Übergabe der Geschäftsführung im April wurde dazu ein großer Schritt getätigt. Abgeschlossen ist der Prozess damit aber noch nicht: „Karla Lindner bleibt uns die nächste Zeit im Unternehmen erhalten. Auf Ihre Kompetenz und langjährige Erfahrung können wir also noch eine Weile bauen“, freut sich Anett Lindner.
Langfristigkeit als Erfolgsbasis für die Unternehmensnachfolge
Eigentlich begannen die Vorbereitungen der Unternehmensnachfolge schon viele Jahre zuvor und wurden noch von Vater und Gründer Johannes Lindner eingeleitet, in dem er seinen Sohn Jens 1998 ins Unternehmen holte. Der gelernte Heizungsinstallateur hatte direkt ein Händchen für die Maschinen und wurde CNC-Spezialist. Noch heute ist er Ansprechpartner für alle Fragen rund um Technik und Prozessoptimierung. Schwester Anett ist gelernte Fleischfachverkäuferin. „Der Umgang mit Menschen und Geld war immer meins“, lacht sie. Das war auch ihrem Vater bewusst, der mehrfach um sie warb. 2003 kam sie dann als Büromitarbeiterin ins Unternehmen.
Kurz darauf folgte der Schicksalsschlag: Johannes Lindner erkrankte schwer und starb 2007. „Uns blieb keine Vorbereitungszeit. Innerhalb kürzester Zeit mussten wir sehen, wie es mit dem Unternehmen weitergehen soll“, blickt Anett Lindner auf die dunklen Stunden zurück. „Wir haben viel Unterstützung von Mitarbeitern und Geschäftspartnern erfahren, sahen uns aber gleichzeitig mit der schwierigen Situation konfrontiert, die ‚erste‘ Unternehmensnachfolge zu meistern“, ergänzt Karla Lindner. Innerhalb kürzester Zeit übernahm sie, seit 1995 im Unternehmen tätig, die Geschäftsführung. Jens Lindner wechselte von der Maschine ins Büro, übernahm die technische Leitung und wurde Prokurist. Anett Lindner übernahm die Buchhaltung, die Personalverantwortung und wurde die Leiterin der Montage. „Wir mussten uns von jetzt auf gleich neu strukturieren, in neue Aufgaben einfinden und uns in eine Vielzahl von Prozessen einarbeiten, um das Unternehmen auf Kurs zu halten“, erinnert sich Jens Lindner. Die ehemalige Chefin fügt hinzu: „In dieser Zeit wurden auch Fehlentscheidungen getroffen. Aus diesen mussten wir lernen und in die Aufgaben hineinwachsen.“
Aus diesen schmerzlichen Erfahrungen resultierend wurde der zweite Nachfolgeprozess bereits von langer Hand vorbereitet. Dass dieser gelingt, ist man sich im 60-Mitarbeiter Unternehmen sicher, denn „das Kaufmännische liegt den Lindners im Blut“, schmunzelt Anett Lindner.