So viel Erzgebirge steckt im Airbus
Im Erzgebirge verdienen viele ihr Geld in „Metallbuden“. Der wenig ehrfürchtige Begriff lässt nicht erahnen, wie anspruchsvoll die Produkte sind, die in diesen Unternehmen entstehen. Oft haben sie sich auf Marktnischen spezialisiert, in denen ihnen keiner etwas vormacht. So kommt es, dass im größten Passagierflugzeug der Welt, dem Airbus A 380, viele Teile verbaut sind, die von hier stammen. „Das Erzgebirge ist nicht nur Weihnachtsland, sondern auch eine Industrieregion mit hohen Ingenieurleistungen. Die Zulieferungen für den A 380 sind ein wunderbares Beispiel“, sagt Matthias Lißke, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Erzgebirge. Airbus zufolge sind an der Produktion des Fliegers, der aus vier Millionen Teilen besteht, 1500 Firmen aus 30 Ländern beteiligt. Das kommt aus dem Erzgebirge:Zum Schweißen der Triebwerke des A 380 hat Pro-Beam Systems aus Neukirchen eine Elektronenstrahl-Schweißmaschine nach England geliefert. Mit dieser fertigt Triebwerkshersteller Rolls-Royce seit 2009. Sie wiegt 100 Tonnen und arbeitet auf hundertstel Millimeter genau – noch heute zuverlässig. Das weiß man bei Pro-Beam Systems, weil der jährliche Service der Elektronenstrahl-Schweißmaschine noch immer von Neukirchen aus übernommen wird. Vertriebsmitarbeiter Uwe Clauß: „Mit den 100 Mitarbeitern am Standort haben wir uns auf die Elektronenstrahl-Technologie spezialisiert. Darin sind wir Weltmarktführer.“ Die Firma beliefert alle führenden Triebwerkshersteller der Luftfahrtindustrie, aber auch Auto-Industrie, Elektrotechnik und Forschung. Auch am internationalen Forschungsprojekt Iter (Internationaler Thermonuklearer Experimenteller Reaktor) ist man beteiligt. Dessen Fernziel ist eine neue Form der Energiegewinnung: per Kernfusion – und nicht per Kernspaltung wie in heute üblichen Atomkraftwerken. Pro-Beam Systems Aufgabe dabei ist, den Reaktor mit einem Elektronenstrahl zu verschweißen. Das Unternehmen sucht Mitarbeiter, hat gleich zwölf offene Stellen.
Zur Höhensteuerung des A 380 und anderer Airbus-Modelle fertigt PTF Pfüller aus Stollberg Ventilbaugruppen – schon seit mehr als sieben Jahren. Mit dem Produkt werden die Höhenruder gesteuert. In den meisten A 380 stecken die Stollberger mit ihrem Produkt drin, allerdings nicht mehr in den neuesten. „Dort wird nun eine vollkommen andere Technologie eingebaut, die Airbus von einem andern Zulieferer bezieht“, sagt PTF-Geschäftsführer Oliver F. Zintl. Das Unternehmen liefere aber weiter für die Airbus-Serien A 330, A 340, A 350 und A 400M bis zu 1600 Ventilgruppen im Jahr.
Für die Lüftung über den Köpfen der Passagiere liefert die Firma Haufe aus Beierfeld das Chassis. Aber auch weitere Gehäuse für Kabine und Cockpit werden von den rund 30 Beschäftigten gefertigt. „Wichtig ist die hochwertige Verarbeitung, sonst kommt es schnell zur Korrosion der Alu-Teile“, erklärt Betriebsleiter Erik Selle. Etwa die Hälfte der Lieferungen gehen an die Luftfahrt, viele davon sind Spezialanfertigungen. „Wir sind im Nischenmarkt. Wer Massenware baut, etwa für Autos, muss billig sein und ist Getriebener“, sagt Selle. Die Lieferungen für den A 380 machen nur fünf Prozent der Haufe-Kapazitäten aus. Deshalb fällt es hier nicht ins Gewicht, wenn im kommenden Jahr nur noch zwölf der Riesenflieger gebaut werden sollen. Der kleinere A 350 zum Beispiel ist viel gefragter und beschert auch Haufe mehr Aufträge. „Für uns ist der A 380 eher ein Prestigeobjekt“, sagt Selle. Das Erzgebirge sei dem Namen entsprechend traditionell erfahren im Umgang mit Metallen und habe in der Branche einen sehr guten Ruf. Ein Problem sei aber der Mangel an Fachkräften. Die Firma habe deshalb mehrfach Mitarbeiter von anderswo abwerben müssen.
Handarbeit für die Türmotoren des Airbus-Flaggschiffs leisten die rund 60 Mitarbeiter von Eviro in Eibenstock. Sie wickeln Kupferdrähte für sogenannte Statoren. Die sind, wie Geschäftsführer Ullus Leidel sagt, der unbewegliche Teil der E-Motoren, mit denen die Türen des A 380 geöffnet werden.
Damit die Fenster dichthalten, liefert Wesoba aus Schwarzenberg hoch zuverlässige Press-Werkzeuge zur Fertigung der Fensterrahmen des A 380. Die 85 Mitarbeiter produzieren vor allem für die Autoindustrie, sagt Geschäftsführer Mario Pfaff. Damit die Türen zu bleiben während des Fluges, steuert der Annaberger Formenbau, die A-Form AG mit Sitz in Mildenau, ein Sicherheitsmodul für die Passagiertüren des A 380 bei. Genaueres unterliege der Geheimhaltung, so Peter Parczyk (69), der das Unternehmen mit heute 86 Mitarbeitern nach der Wende aufgebaut und die Geschäfte inzwischen an seine Söhne abgegeben hat. Die A-Form-Metallwerkzeuge werden auch an Autoindustrie, Raumfahrt und Medizintechnik geliefert.
(Quelle: Freie Presse)