Schutz der Meere: Kommission will Einwegplastik-Produkte vom Markt nehmen

Die Menge an schädlichem Plastikmüll in den Ozeanen und Meeren wächst ständig. Um dagegen vorzugehen, schlägt die Europäische Kommission neue Vorschriften zur Reduzierung von Plastikmüll vor. Im Visier sind die zehn Einwegprodukte aus Kunststoff, die in Europa am häufigsten an den Stränden und in den Meeren gefunden werden. Für Wattestäbchen, Besteck, Teller, Trinkhalme, Kaffee-Rührstäbchen und Luftballonstäbe aus Kunststoff gibt es gute umweltfreundliche Alternativen. Solche Einwegplastik-Produkte will die Kommission vom Markt nehmen.

Bei Produkten, für die es noch keine offensichtlichen Alternativen gibt, liegt der Schwerpunkt auf der Eindämmung ihres Verbrauchs durch entsprechende Maßnahmen der Mitgliedstaaten, auf Vorgaben für ihre Gestaltung und Kennzeichnung und auf der Verpflichtung der Hersteller zur Abfallbewirtschaftung und zu Säuberungsaktionen.

Mit den neuen Vorschriften wird Europa auf dem Weg zur Lösung dieses weltweiten Problems mit gutem Beispiel vorangehen.

Frans Timmermans, der für nachhaltige Entwicklung zuständige Erste Vizepräsident der Kommission, erklärte: „Diese Kommission hat versprochen, sich ambitioniert den großen Fragen zu widmen und den Rest den Mitgliedstaaten zu überlassen. Plastikmüll ist zweifellos ein großes Problem und die Europäer müssen mit vereinten Kräften dagegen vorgehen, denn der Plastikmüll landet letztlich in unserer Luft, unseren Böden, unseren Ozeanen und unserem Essen. Die heutigen Vorschläge sehen eine Reihe von Maßnahmen vor, die dazu führen werden, dass wir in unseren Supermärkten weniger Einwegplastik vorfinden werden. Wir werden einige dieser Artikel aus den Regalen verbannen und sie durch sauberere Alternativen ersetzen, sodass den Menschen ihre Lieblingsprodukte weiterhin zur Verfügung stehen.“

Jyrki Katainen, für Arbeitsplätze, Wachstum, Investitionen und Wettbewerbsfähigkeit zuständiger Vizepräsident der Kommission, fügte hinzu: „Kunststoffe sind sehr praktisch, aber wir müssen sie verantwortungsbewusster einsetzen. Einwegplastik ist keine wirtschaftlich oder ökologisch intelligente Lösung. Die heutigen Vorschläge werden Unternehmen und Verbrauchern den Übergang zu nachhaltigen Alternativen erleichtern. Dies ist eine Chance für Europa, eine Vorreiterrolle zu übernehmen, indem wir neue Produkte auf den Markt bringen, nach denen die Nachfrage in der Welt in den nächsten Jahrzehnten groß sein wird, und indem wir unsere wertvollen und begrenzten Ressourcen wirtschaftlich sinnvoller nutzen. Unsere Zielvorgabe für die Sammlung von Kunststoffflaschen wird außerdem dazu beitragen, dass die für eine expandierende Kunststoffrecyclingindustrie erforderlichen Mengen zusammenkommen.“

Unterschiedliche Maßnahmen für unterschiedliche Produkte

Nachdem 2015 das Problem der Plastiktüten in Angriff genommen worden war, gaben 72 Prozent der Europäer an, die Verwendung von Plastiktüten eingeschränkt zu haben (Eurobarometer). Nun richtet die EU ihre Aufmerksamkeit auf die 10 häufigsten Einwegkunststoffprodukte und auf Fischfanggeräte, die in Europa zusammen 70 Prozent der Abfälle im Meer ausmachen. Die neuen Vorschriften sehen Folgendes vor:

Verbot von Kunststoff in bestimmten Produkten: Wenn erschwingliche Alternativen zur Verfügung stehen, werden die Einwegkunststoffprodukte vom Markt genommen. Das Vermarktungsverbot soll für Wattestäbchen, Besteck, Teller, Trinkhalme, Rührstäbchen und Luftballonstäbe aus Kunststoff gelten, die vollständig aus umweltfreundlicheren Materialien hergestellt werden müssen. Einweggetränkebehälter, die Kunststoff enthalten, werden nur dann zugelassen, wenn ihre Deckel und Verschlüsse an ihnen befestigt sind.
Zielvorgaben für die Verbrauchsminderung: Die Mitgliedstaaten müssen dafür sorgen, dass weniger Lebensmittelverpackungen und Getränkebecher aus Kunststoff verwendet werden. Dies können sie erreichen, indem sie nationale Ziele für die Verbrauchsminderung festsetzen, die Verfügbarkeit alternativer Produkte in den Geschäften verbessern oder sicherstellen, dass Einwegkunststoffprodukte nicht kostenlos zur Verfügung gestellt werden.
Verpflichtungen für die Hersteller: Die Hersteller werden zur Deckung der Kosten für die Abfallbewirtschaftung und die Säuberung der Umwelt sowie für Sensibilisierungsmaßnahmen herangezogen. Dies gilt für die folgenden Kunststoffprodukte: Behälter, Tüten und Folienverpackungen für Lebensmittel (z. B. für Chips und Süßigkeiten), Getränkeflaschen und -becher, Tabakerzeugnisse mit Filtern (z. B. Zigarettenstummel), Feuchttücher, Luftballons und leichte Kunststofftragetaschen. Die Industrie wird auch Anreize erhalten, für diese Produkte weniger umweltschädliche Alternativen zu entwickeln.
Zielvorgaben für die Sammlung: Die Mitgliedstaaten werden verpflichtet, bei Einweg-Getränkeflaschen aus Kunststoff bis zum Jahr 2025 eine Sammelquote von 90 Prozent zu erreichen, zum Beispiel durch Pfandsysteme.
Kennzeichnungsvorschriften: Auf bestimmten Produkten muss in klarer, standardisierter Weise angegeben werden, wie sie zu entsorgen sind, welches die negativen Umweltauswirkungen des Produkts sind und dass das Produkt Kunststoff enthält. Dies wird für Hygieneeinlagen, Feuchttücher und Luftballons gelten.
Sensibilisierungsmaßnahmen: Die Mitgliedstaaten werden dazu verpflichtet, die Verbraucher für die negativen Auswirkungen einer unsachgemäßen Entsorgung von Einwegkunststoffprodukten und Fischfanggeräten sowie für die verfügbaren Wiederverwendungssysteme und Abfallbewirtschaftungsmöglichkeiten für alle diese Produkte zu sensibilisieren.

Weltweit machen Kunststoffe 85 Prozent der Meeresabfälle aus. Kunststoffe enden auch in den Lungen und auf den Tellern der Bevölkerung. Die Auswirkungen des in der Luft, im Wasser und in Lebensmitteln zu findenden Mikroplastiks auf die menschliche Gesundheit sind bisher unbekannt. Das Plastikproblem muss angegangen werden, doch können sich daraus neue Chancen für Innovation, Wettbewerbsfähigkeit und die Schaffung von Arbeitsplätzen ergeben.

Für Fischfanggeräte‚ auf die 27 Prozent der gesamten Strandabfälle entfallen, beabsichtigt die Kommission, den bestehenden politischen Rahmen durch Systeme der Herstellerverantwortung für Fanggeräte mit Kunststoffanteil zu ergänzen. So werden Hersteller kunststoffhaltiger Fanggeräte die Kosten für das Einsammeln der Abfälle aus den Hafenauffangeinrichtungen sowie den Transport und die Behandlung dieser Abfälle übernehmen müssen. Sie sollen auch die Kosten für Sensibilisierungsmaßnahmen tragen. Einzelheiten zu den neuen Vorschriften für Fanggeräte sind hier abrufbar.

Für die Unternehmen bringt dies einen Wettbewerbsvorteil mit sich: Mit einheitlichen Vorschriften für den gesamten EU-Markt wird ein Sprungbrett für europäische Unternehmen geschaffen, das Größenvorteile und eine bessere Wettbewerbsfähigkeit auf dem boomenden Weltmarkt für nachhaltige Produkte mit sich bringt. Durch die Einführung von Wiederverwendungssystemen (z. B. Pfandsystemen) können Unternehmen eine zuverlässige Belieferung mit hochwertigen Werkstoffen gewährleisten. In anderen Fällen kann der Anreiz, nach nachhaltigeren Lösungen zu suchen, den Unternehmen technologischen Vorsprung gegenüber globalen Wettbewerbern verleihen.

Nächste Schritte

Die Vorschläge der Kommission werden nun dem Europäischen Parlament und dem Rat zur Annahme vorgelegt. Die Kommission fordert die anderen Institutionen auf, dieses Dossier prioritär zu behandeln und den Europäern noch vor der Europawahl im Mai 2019 greifbare Ergebnisse zu präsentieren.

Anlässlich des Weltumwelttags am 5. Juni wird die Kommission zudem eine EU-weite Sensibilisierungskampagne starten, um das Bewusstsein der Verbraucher dafür zu schärfen, dass es auch auf ihre Entscheidungen und das Verhalten eines jeden ankommt, wenn es um die Bekämpfung der Umweltverschmutzung durch Plastik und der Vermüllung der Meere geht.

Natürlich wird mit der Reduzierung der Meeresabfälle aus der EU nur ein Teil des weltweiten Problems angegangen. Aber indem die Europäische Union eine Führungsrolle übernimmt, ist sie bestens positioniert, um – über die G7 und die G20 und die Umsetzung der UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung – Veränderungen auf globaler Ebene voranzutreiben.

Hintergrund

Mit der heutigen Initiative wird das in der europäischen Kunststoffstrategie angekündigte Vorhaben umgesetzt, gegen Kunststoffabfälle und ihre verheerenden Auswirkungen durch legislative Maßnahmen vorzugehen, was vom Europäischen Parlament und vom Rat sowie von Bürgern und Interessenträgern begrüßt wurde. Die vorgeschlagenen Maßnahmen werden einen Beitrag zum Übergang Europas zu einer Kreislaufwirtschaft sowie zur Erreichung der UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung und zur Umsetzung der klimapolitischen Verpflichtungen und industriepolitischen Ziele der EU leisten.

Die heute vorgeschlagene Richtlinie baut auf bestehenden Vorschriften wie der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie und den Abfallrichtlinien auf und ergänzt andere Maßnahmen zur Bekämpfung der Meeresverschmutzung, wie sie z. B. in der Richtlinie über Hafenauffangeinrichtungen vorgesehen sind, sowie die vorgeschlagenen Beschränkungen für Mikroplastik und oxo-abbaubare Kunststoffe. Mit der neuen Richtlinie wird ein ähnlicher Ansatz wie bereits mit der erfolgreichen Plastiktüten-Richtlinie aus dem Jahr 2015 verfolgt, die positiv aufgenommen wurde und zu einem raschen Wandel des Verbraucherverhaltens geführt hat.

Die vorgeschlagene Richtlinie wird sowohl ökologische als auch wirtschaftliche Vorteile mit sich bringen, so zum Beispiel:

Vermeidung der Emission von 3,4 Mio. Tonnen CO2-Äquivalent bis 2030;
Vermeidung von Umweltschäden, die sich bis 2030 auf 22 Mrd. EUR belaufen würden;
Einsparungen für die Verbraucher in Höhe von geschätzten 6,5 Mrd. Euro.

Neben den in diesem Monat von der EU angenommenen Abfallvorschriften und Zielvorgaben werden auch diese neuen Vorschriften die Klarheit, die Rechtssicherheit und die Größenvorteile mit sich bringen, die die Voraussetzung dafür sind, dass die Unternehmen in der EU auf neuen Märkten für innovative Mehrweg-Alternativen, neue Werkstoffe und besser konzipierte Produkte die Führung übernehmen können.

Gemäß den Vorgaben für eine bessere Rechtsetzung wurden zur Vorbereitung des heutigen Vorschlags eine Konsultation der Interessenträger und eine öffentliche Konsultation sowie ausführliche Folgenabschätzungen durchgeführt. Von den Teilnehmern an der öffentlichen Konsultation, die von Dezember 2017 bis Februar 2018 durchgeführt wurde, waren 95 Prozent der Auffassung, dass Maßnahmen gegen Einwegkunststoffprodukte dringend notwendig sind, und nach Ansicht 79 Prozent sollten diese Maßnahmen auf EU-Ebene ergriffen werden, um wirksam zu sein. Auch nach Auffassung von 70 Prozent der Hersteller muss dringend gehandelt werden. 72 Prozent  der Befragten haben ihre Verwendung von Plastiktüten eingeschränkt, 38 Prozent von ihnen im letzten Jahr.

(Quelle: Europäische Kommission, 28.05.2018)