Mit Hopfen und Malz zum Weltkulturerbe

muss das für ein Gedrängel auf dem Bahnhof von Saaz/Žatec gewesen sein, wenn zur Zeit der Hopfenernte tausende Helfer mit dem Zug in die nordböhmische Stadt kamen. Egon Erwin Kisch, der „rasende Reporter“, hat dem ein Denkmal gesetzt. Im August 1912 war er als Hopfenpflücker im Saazer Land und verfasste darüber eine Reportage für die Prager Zeitung „Bohemia“. Damals wuchs allein rund um Saaz/Žatec der Hopfen auf rund 17.000 Hektar, heute sind es in der gesamten Tschechischen Republik etwa 4500 Hektar.

Trotzdem dreht sich in der knapp 19.000 Einwohner zählenden Stadt noch immer viel um Hopfen, Malz und letztlich Bier. Saazer Bürger bekamen bereits 1261 das Recht zum Brauen, und seit 1539 garantiert ein spezielles Siegel die Qualität des Saazer Hopfens. Mit dieser Tradition im Rücken bewirbt sich die Stadt um den Titel „Weltkulturerbe“. Die Unterlagen wurden bereits bei der Unesco eingereicht, eine Entscheidung wird 2018 erwartet.

Zeugnissen des Anbaus und der Verarbeitung von Hopfen sowie des Handels mit Hopfen begegnet man auf Schritt und Tritt. Ein Blickfang ist seit Oktober 2010 der Hopfen- und Biertempel mit dem 42 Meter hohen Hopfenleuchtturm mit Aussichtsplattform und 3D-Animation. Knapp neun Millionen Euro haben die Stadt und die EU investiert. Zum Projekt gehört mit „U Orloje“ (Zur Uhr) das kleinste Brauhaus der Welt.

Gleich daneben befindet sich das 1997 eröffnete Museum. Untergebracht in einem Ende des 19. Jahrhunderts errichteten Handelshaus, wird auf einer Fläche von 4000 Quadratmetern die Entwicklung der Hopfenindustrie vom Mittelalter bis in die Gegenwart dargestellt.

Die sogenannte Prager Vorstadt, in der sich beide Einrichtungen befinden, beherbergte einst die großen Verarbeitungs- und Lagerhäuser für den Hopfenhandel. Viele der historischen Gebäude sind noch erhalten, wie die ehemalige Mälzerei in der Masaryk-Straße. Dort wurde nachweislich zwischen 1681 und 1775 Braugerste gemälzt und getrocknet. Heute beherbergt das Gebäude neben Wohnungen eine Galerie und ein Informationszentrum.

Im historischen Stadtzentrum sind rund 550 Bauten aus verschiedenen Epochen erhalten. Bereits 1961 gehörte Saaz/Žatec zu den fünf tschechischen Städten, deren Zentren zum städtischen Denkmalschutzgebiet erklärt wurden. Das lockte auch die Filmbranche an. 1983 drehte die US-Amerikanerin Barbara Streisand dort Szenen für „Yentle“, wobei sie selbst die Hauptrolle spielte. Der Film gewann einen Oscar in der Kategorie „Beste Filmmusik“. Auch für Filme über Oliver Twist und Edith Piaf wurde die historische Kulisse der Stadt genutzt.

Zur städtischen Denkmalzone gehört auch das Areal der einstigen Bürgerbräu-Brauerei, die um 1800 auf dem Gelände der früheren Burg errichtet wurde. Die Gebäude wurden seither mehrfach modernisiert. In der CSR 1945 verstaatlicht, ist die Brauerei inzwischen privatisiert und gehört mehrheitlich zum dänischen Carlsberg-Konzern.

Der Höhepunkt im Leben der Stadt ist das Hopfenerntefest, das am 1. und 2. September stattfindet, seine inzwischen 60. Auflage erlebt und als größtes Hopfen- und Bierfest in Europa gilt. Die Besucher erwartet an beiden Tagen ein reiches Kulturprogramm mit Musik und Unterhaltung – und vor allem die Verkostung von mehr als 40 Biersorten aus 20 Brauereien.   www.docesna.cz

(Quelle: Freie Presse)