Menschen mit Migrationshintergrund: Wenn Mentoren zu wichtigen Wegbegleitern werden - Wanderausstellung im GDZ Annaberg zeigt Chancen der Integration
Die Arbeitsmarktmentoren Sachsen sind ein Programm, welches seit fünf Jahren mit Partnern in einem Netzwerk Menschen mit Migrationshintergrund begleitet, um sie nachhaltig beruflich zu integrieren. Auch das Welcome Center Erzgebirge (WCE) ist Teil dieses Netzwerkes, das sich vordergründig als Dienstleister versteht, um wirtschaftlichen Zuwanderern das Ankommen im Erzgebirge zu erleichtern. Wenn auch die Hürden der beruflichen Integration zwischen Geflüchteten und gezielt zugewanderten Fachkräften unterschiedlich sind, so gibt es dennoch viele Gemeinsamkeiten. Deshalb hat das Welcome Center Erzgebirge unter Federführung der Wirtschaftsförderung Erzgebirge GmbH die Wanderausstellung der Arbeitsmarktmentoren Sachsen ins GDZ Annaberg geholt. „Die harte Trennung von zugewanderten Fachkräften und Menschen mit Asylhintergrund ist nicht mehr zeitgemäß. Das und wie komplex die Thematik ist, zeigen viele positive Beispiele in dieser Ausstellung. Denn auch wenn der Weg bei humanitärer Zuwanderung ein viel längerer ist, zeigt die Praxis, dass es gut möglich ist, Flüchtlinge durch Ausbildung oder Qualifizierung in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren“, erklärt Kristin Kocksch vom Welcome Center Erzgebirge.
Schulabschlüsse als gute Basis für Integration
Mit Stichtag Ende September 2021 waren im Erzgebirgskreis 254 arbeitslose und 430 arbeitssuchende Menschen im Kontext mit Fluchtmigration registriert. Seit Beginn der zweiten Programmphase der Arbeitsmarktmentoren von Januar 2020 bis Ende Dezember 2021 waren 91 Personen am Projekt beteiligt, davon konnten 30 erfolgreich in Jobs, 14 in eine Ausbildung und vier in eine Einstiegsqualifizierung vermittelt werden. Die Statistik sagt auch, dass knapp ein Viertel der begleiteten Personen Abitur oder Fachhochschulreife, ein knappes Viertel mittlere Reife und ein Drittel einen Hauptschulabschluss vorweisen. Etwas mehr als die Hälfte der Teilnehmer wurde in Produktion und Fertigung vermittelt, 16 Prozent in den Dienstleistungs- und 14 Prozent in den sozialen Bereich. Aufgabe der Mentoren ist es auch, die Unternehmen auf dem bis dato eher unbekannten und teils noch unsicheren Weg zu Ausbildung oder Tätigkeit von Menschen mit Fluchthintergrund bestmöglich zu begleiten, Vorbehalte abzubauen und mit Expertenwissen durch den behördlichen Dschungel zu navigieren. „Die letzten Jahre haben gezeigt, wie komplex und anspruchsvoll das Thema und wie wichtig die Zusammenarbeit im Netzwerk ist. Der Integrationsprozess ist ein langer. Umso wichtiger ist es, die Erfolge sichtbar zu machen“, unterstreicht auch Sven Kuhn, Sachgebietsleiter Unterbringungs- und Sozialkoordination im Landratsamt des Erzgebirgskreises, zur Eröffnung der Ausstellung am Vormittag.
Arbeitsmarktmentoren als Begleiter mit Expertenrat
Sachsenweit gibt es 14 Projekte mit mehr als 50 MentorInnen, sieben davon im Erzgebirgskreis. Mandy Schreiter ist Projektleiterin der Arbeitsmarktmentoren im Erzgebirgskreis. Sie ist angestellt beim CJD Sachsen/Thüringen – eine Organisation, die sich dem Thema Migration annimmt. „Die Teilhabe am Arbeitsmarkt bildet einen wichtigen Faktor im Leben aller Menschen und ist bei denen mit einer Migrations- und Fluchtgeschichte für die erfolgreiche gesellschaftliche Eingliederung von grundlegender Bedeutung. Voraussetzungen dafür sind Motivation, gute Deutschsprachkenntnisse und auch eine erfolgreiche berufliche Qualifizierung. Die Arbeitsmarktmentoren Erzgebirgskreis begleiten in enger Zusammenarbeit mit ihren Netzwerkpartnern und regionalen Unternehmen bei der aktiven Gestaltung beruflicher Perspektiven, sie bieten Chancen, beraten, fördern, vermitteln in Ausbildung bzw. nachhaltig in den Arbeitsmarkt und unterstützen somit auch deren gesellschaftliche Integration. Zudem leisten sie einen wichtigen Beitrag, den Arbeitskräftebedarf in den regionalen Unternehmen zu decken.“
Potenziale als wichtige wirtschaftliche Säule
Fakt ist: Sogenannte wirtschaftliche Zuwanderung reicht nicht aus, um den Fachkräftebedarf in Zukunft zu sichern. „Weil aus Flüchtlingen wieder Fachkräfte für das Erzgebirge werden können, engagiert sich das Welcome Center Erzgebirge im Netzwerk mit und hat die Initiative des CJD, die Wanderausstellung auch im Erzgebirge zu präsentieren, gern aufgegriffen“, so Kristin Kocksch. Dass bei der Arbeitsmarktintegration zwischen humanitärer und wirtschaftlicher Einwanderung unterschieden werden muss, verdeutlicht Matthias Lißke, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Erzgebirge GmbH: „Die Fluchtmigration darf nicht primär unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachten werden und die nachhaltige berufliche Integration gestaltet sich hierbei im Regelfall langwieriger im Vergleich zu Zuwanderern auf Fachkräfteebene. Der derzeitig bereits bestehende und sich noch verschärfende Fachkräfte- respektive Arbeitermangel stellt, neben Strukturwandel-Herausforderungen (Digitalisierung, Auto-Zulieferer, Lieferketten), eine riesige Hypothek für die sächsische und explizit auch erzgebirgische Wirtschaft dar. Es ist eine gezielte Einwanderungspolitik notwendig, um diese Wachstumsbremse für die Konjunktur in Deutschland langfristig zu lösen und keine großen Schrumpfungsprozesse zuzulassen. Die Einwanderung aus der EU ist zuletzt deutlich zurückgegangen – dies kann nur durch gesteigerte Zuwanderung aus Drittstaaten kompensiert werden. Die Potenziale von Geflüchteten und anderen Menschen mit Migrationshintergrund müssen für den sächsischen Arbeitsmarkt erschlossen werden – eine wertvolle Säule hierbei bildet das Programm „Arbeitsmarktmentoren Sachsen“.“
Die Firma Purkart Systemkomponenten GmbH aus Großrückerswalde ist eines der erzgebirgischen Unternehmen, die bereits vom Programm profitieren. Dass internationale Fachkräfte ein Gewinn sind, um wettbewerbsfähig zu bleiben, wurde erkannt. Erfolgreich wurde Isnaur Kanajev, ein ursächlicher Flüchtling aus Tschetschenien, als Auszubildender im Unternehmen integriert. „Wenn es das Projekt Arbeitsmarktmentoren nicht geben würde, wäre der Weg für uns viel schwieriger. Wir haben weder Kenntnisse über das ganze Asylrecht und was dazu gehört noch die Zeit, uns so tiefgründig damit zu beschäftigen. Mit den Mentoren hat das super geklappt und uns wurde vieles abgenommen“ so Ausbilder Oliver Schenk. Der 16jährige Isnaur Kanajev, der vor vier Jahren mit seiner Familie nach Deutschland kam, fühlt sich wohl im Unternehmen und ist dankbar, seine Ausbildung absolvieren zu dürfen. „Ich möchte auf jeden Fall hierbleiben“, sagt er.
Die Ausstellung ist bis 29.04.2022 im Foyer und 1. OG des GDZ Annaberg täglich von 8:00 bis 18:00 Uhr öffentlich zugängig. Ein Eintritt wird nicht erhoben.
Auf dem Bild zu sehen sind von links nach rechts: Mandy Schreiter / Projektleiterin Arbeitsmarktmentoren Erzgebirgskreis, Oliver Schenk / Ausbilder Purkart Systemkomponenten GmbH, Isnaur Kanajev / Auszubildender bei Purkart, Kristin Kocksch / Leiterin Welcome Center Erzgebirge bei der Wirtschaftsförderung Erzgebirge GmbH, Matthias Lißke / Geschäftsführer Wirtschaftsförderung Erzgebirge GmbH, Sven Kuhn / Sachgebietsleiter Unterbringungs- und Sozialkoordination im Landratsamt des Erzgebirgskreises.