Jenaplanschüler in Markersbach lernen Nachbarsprache ab erster Klasse
Mit Phrasen wie Begrüßungsformeln sowie dem Bitte- und Dankesagen geht es los. Danach erst folgen Grammatik und freies Sprechen im Lehrplan. „Das ist der beste Weg, um einzusteigen ins Tschechischlernen“, sagt Tomáš Vymazal. Er unterrichtet an der Jenaplanschule in Markersbach im Erzgebirge seine Muttersprache. Und er findet es andersherum nicht leichter. „Für uns Tschechen ist Deutsch genauso schwer.“Besonderheit in Markersbach: Schon die Abc-Schützen legen in Klasse 1 mit Tschechisch los und pauken die Sprache bis zur 10. Klasse. Das hat in Sachsen Seltenheitswert, weiß Lehrerin Kirsten Müller. Aber an der Jenaplanschule schon seit 1993 Tradition. Ziel war es, den Schülern eine slawische Sprache zu vermitteln. „Bei unserer Lage liegt fast nichts näher als Tschechisch“, so Müller. Die Nähe zum Nachbarland sei entscheidendes Kriterium gewesen. Zum Tschechisch-Unterricht für die derzeit 340 Schüler gesellen sich Förderprojekte, die die Grenze überschreiten. Nicht nur in den Köpfen. Beispiel dafür ist das jüngste unter dem Motto „Dialoge – gemeinsam lernen für Europa“, das bis März 2019 läuft. Partner ist die „Grundschule der Sprachen“ in Karlsbad/ Karlovy Vary. „Zum Projekt gehören regelmäßige Begegnungen“, sagt Müller. So absolvierten Neuntklässler aus Markersbach im September einen Sprachkurs in Karlovy Vary. Einen Gegenbesuch von Zweitklässlern in der Jenaplanschule gab es auch schon. Weiterer Meilenstein soll nach Ende der Herbstferien ein Treffen mit Tschechen sein, bei dem Mädchen und Jungen aus den Markersbacher Obergruppen ihren Gästen Schwarzenberg vorstellen.
Dafür braucht es einen Weg der Verständigung. Diesen zu finden, lernen auch Lea, Lilly und Nathalie schon eine Weile im Sprachunterricht. „Es ist auf jeden Fall schwerer, als Englisch“, sagen die Achtklässlerinnen. Abschrecken lassen sie sich aber nicht. Derzeit behandeln sie bei Lehrerin Zuzana Halušková, die aus Pilsen/Plzeň anreist, wie man sich in einer Gaststätte verhält sowie Speisen und Getränke bestellt. Dazu haben Halušková und Vymazal eigenes Unterrichtsmaterial entwickelt. Zum Beispiel Arbeitsblätter, Präsentationen, Sprachführer und Bucheinlagen sowie Video-Einspieler. Mit Letzteren, die Alltagssituationen nachstellen, wird besonders die teils schwierige Aussprache trainiert.
„Wir beherrschen schon viel“, sagt Lilly. Etwa das Beschreiben von Tieren und Dingen, das Beugen von Verben sowie Auskunft geben über sich und die eigene Familie. Das helfe im Alltag. „Wir fahren oft nach Tschechien zum Einkaufen und zum Essen“, so Lea. Knifflig sei jedoch das schnelle Tempo, in dem Muttersprachler drauflos reden. „Da muss man schon manchmal ganz genau hinhören.“
All diese Hürden kennt Vymazal nur zu gut. Er lehrt seit 2012 in Vollzeit in Markersbach, wohnt nahe Karlovy Vary und nimmt die 50 Kilometer Arbeitsweg gern in Kauf. „Ich fühle mich wirklich wohl. Und das Konzept passt. Denn wer nicht klein anfängt, hat es später schwer. Je früher man einsteigt, desto besser kann sich das Gefühl für eine Sprache ausprägen.“ Deshalb wirbt er sogar schon in Kindergärten mit seiner Kollegin Zuzana Halušková für Tschechisch.
Die Erfahrung zeigt laut Kirsten Müller, dass die Sprache der Nachbarn immer wichtiger wird. „Selbst für die Eltern unserer Schüler. Denn manche haben beispielsweise tschechische Arbeitskräfte – da sind Übersetzungen gefragt.“ Die Regelmäßigkeit sei sehr wichtig, also die fremde Sprache so oft wie möglich wirklich anzuwenden. Daher setzt die Jenaplanschule auf die Kombination von Unterricht und Projekten. Denn vor allem im Zuge Letzterer bekommen die Schüler die Chance, mit Gleichaltrigen tatsächlich ins Gespräch zu kommen – auf Deutsch zur Übung für die Tschechen und auf Tschechisch zur Übung für die Deutschen. So profitieren beide Seiten.
(Quelle: Freie Presse)