Innovation aus Tradition – ERZGEBIRGE Gedacht. Gemacht.
„Nicht die Großen fressen die Kleinen, sondern die Schnellen überholen die Langsamen.“ Das Zitat des deutschen Topmanagers Eberhard von Kuenheim könnte sinnbildlich über allen Vorträgen zur heutigen 6. Regionalkonferenz Erzgebirge in der Stadthalle Marienberg stehen. Mit 250 Gästen aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Verwaltung war die Resonanz so groß wie noch nie. Sie zeugte eindrucksvoll von der Brisanz des Themas „Innovation aus Tradition. ERZGEBIRGE Gedacht. Gemacht.“, das sich als roter Faden durch die Tagesveranstaltung zog. Konkrete Handlungsempfehlungen sind nun in einem regionalen Thesenpapier festgeschrieben.
„Zu behaupten, mehr Geld gehöre in die Metropolen ist grundlegend falsch. Wir beweisen mit unseren Projektideen in der Region, dass wir innovativ sind und uns in die Zukunft hineindenken können“, eröffnete der Landrat des Erzgebirgskreises, Frank Vogel, die Konferenz. Nur wer neue Ideen entwickelt, könne mit der beständigen Veränderung der Rahmenbedingungen Schritt halten und sei im besten Fall sogar Schrittmacher in einer Welt, die sich gefühlt immer schneller dreht. Immer neuen Ideen und Entwicklungen offen gegenüber habe sich das Regionalmanagement Erzgebirge in knapp 20 Jahren zu einer festen Größe in Sachsen entwickelt, wenn es um Regionalentwicklung geht, reflektierte Frank Vogel als Sprecher des Regionalmanagements Erzgebirge in einem kurzen Rückblick. Eine konsequente Markenentwickelung in Verbindung mit einem einhergehenden Imagewandel hin zu einer Region, die sich gemeinsam zu einem attraktiven Arbeitgeber mit Lebensqualität vermarktet, ist vor allem deshalb gelungen, da Verwaltung und Wirtschaft geschlossen hinter dem Erzgebirge stehen. Als „Treiber“ in Sachsen bei wesentlichen regionalen Herausforderungen lud der Landrat die Gäste ein, heute nun über die zukunftsgerichtete Ausrichtung des Erzgebirges als Innovationsregion nachzudenken.
Imagewandel durch Innovation als Anker einer nächsten Epoche
Digitalisierung, Industrie 4.0, neue intelligente „smarte“ Werkstoffe sind nur ein paar Begriffe, die bezeichnend für einen sich rasant verändernden Markt sind. Wer mithalten will, braucht innovative Ideen. „Hier sind Zukunftswillen und kluge Ideen zuhause, die sich auf eine jahrhundertelange Tradition und einen großen Erfahrungsschatz der Menschen gründen. Innovation und Technologieförderung verknüpfen sich im Erzgebirge mit einem positiven Lebensgefühl. Das ist richtig so“, brachte Michael Kretschmer, Ministerpräsident des Freistaates, die Perspektive der Region auf den Punkt. Mit seinem Vortrag „Talente – Technologie – Toleranz: wie Regionen für Fachkräfte attraktiv werden“ thematisierte Prof. Dr. Michael Seidel von der Hochschule Hof den Ansatz der Kreativen Klasse als Schlüsselfaktor für das Wachstum von Regionen. Deutlich wurde: einem Imagewandel durch Innovation und eine damit verbundene höhere Wertschöpfung kommt in Zukunft eine besondere Bedeutung zu. Denn wenn man aktuellen Befragungen Glauben schenkt, wollen im Durchschnitt 45 % der Bevölkerung am liebsten auf dem Land leben, 33 % in einer Mittel- oder Kleinstadt – frei gefragt ohne Abhängigkeiten von finanziellen Situationen oder anderen Rahmenbedingungen. Lediglich 21 % würden sich für ein Leben in einer Metropole entscheiden. Beste Voraussetzungen prinzipiell für eine Region wie das Erzgebirge, um mit ihrer Attraktivität als Wirtschaftsstandort und lebenswerte Region um Fachkräfte zu werben. „Es geht nicht mehr nur darum, wie vielfältig die Wirtschaft ist, sondern wie ich in der Region leben kann. Nichts ist emotionaler als der Begriff Heimat“, so Seidel.
Branchenübergreifende Synergien für eine Region mit Zukunft
Fakt ist: Das Erzgebirge muss sich innerhalb der sächsischen Innovationsstrategie als Vorreiterregion entwickeln. Nur durch die gezielte Förderung von Innovationen und der damit verbundenen inner- und interdisziplinären Zusammenarbeit wird es der Region gelingen, weiterhin attraktiv für Unternehmen und Fachkräfte zu bleiben. Als Quintessenz der letzten Regionalkonferenz Erzgebirge im Jahr 2015 schlossen sich Unternehmen unterschiedlichster Branchen zum Wirtschaftsbeirat Erzgebirge zusammen und ziehen beim Thema Fachkräfte seither noch stärker an einem Strang. „Wir müssen weiter stark als Gesamtmarke Erzgebirge auftreten und mit unseren Botschaften die Herzen der Menschen erreichen, die hier leben und arbeiten sollen. Denn man geht doch dahin, wo man glaubt, eine gute Zukunft zu haben“, sieht André Lang, Geschäftsführer Norafin Industries (Germany) GmbH, Mildenau und Sprecher des Wirtschaftsbeirates den Fokus der künftigen Zusammenarbeit. Wie groß das Innovationspotential vor allem auch auf fachübergreifender Ebene ist, zeigt sich aktuell im Projekt „Smart composites ERZgebirge“. Als eine von drei Initiativen aus dem Erzgebirge wurde es erst letzte Woche in das Programm "WIR! – Wandel durch Innovation in der Region" aufgenommen und wird zukünftig mit der Entwicklung hochleistungsfähiger, intelligenter Leichtbaumaterialien in Deutschland eine Vorreiterrolle einnehmen.
Innovation aus Tradition – eine Region erfindet sich nicht völlig neu
Beispiele erzgebirgischer Handwerks- und Industriefirmen zeigten heute eindrucksvoll, dass die Region beim Thema Innovation nicht beim Punkt Null beginnt. In Kurzbeiträgen stellten Unternehmer unter den Stichworten Innovationsstrukturen, Digitalisierung und klassische F&E erfolgreiche Konzepte ihres Firmenalltags vor. Diese sind oftmals eingebettet in regionale Netzwerke, die Jan Kammerl, Geschäftsbereichsleiter Wirtschaftsservice/Fachkräfte bei der WFE GmbH im Blick hat. „Man muss sich der Digitalisierung stellen, auch wenn man manchmal skeptisch ist“, so Jochen Browa, Geschäftsführer Wittigsthal GmbH. 3.000 bis 4.000 Badeöfen werden noch heute in dem Traditionsbetrieb produziert, dessen Hauptprodukte im Bereich der Heizungs- und Sanitärtechnik zu finden sind. Kundendaten wurden digitalisiert, in eine spezielle Software und neue Maschinen vor einem Jahr investiert, Buchungsterminals eingeführt und eine App für Kunden entwickelt. „Aber die Mitarbeiter müssen auch mitgenommen sowie Software und Maschinen optimal vernetzt werden. So braucht ein Digitalisierungsprozess seine Zeit.“
Motivierte Fachkräfte als Teil einer innovationsfördernden Unternehmenskultur zu verstehen bleibt eine Aufgabe auch für die nächsten Jahre. Der Aufbau einer wirtschaftsnahen Infrastruktur vor allem im Hinblick auf durchgängige digitale Lösungen, um den Standort Erzgebirge leistungs- und wettbewerbsfähiger zu machen, eine weitere. Matthias Lißke, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Erzgebirge GmbH, stellte im regionalen Thesenpapier Herausforderungen und Lösungsansätze für die Zukunft des Erzgebirges vor. Das Papier stellt damit die Weichen für die weitere strategische Ausrichtung des Regionalmanagements Erzgebirge sowie seiner Partner, die das Thema Innovation aus Tradition stark fokussieren wird. „Es geht vor allem darum, auf Basis vorhandener, gut funktionierender Netzwerke und Kooperationen innovative Projekte mit überregionaler Strahlkraft zu initiieren und umzusetzen und schließlich das Thema in die Marketingaktivitäten des Regionalmanagements Erzgebirge zum weiteren positiven Imagewandel einzubinden“, so der Geschäftsführer. Er unterstrich noch einmal, dass sich das Erzgebirge seit jeher an neue und zumeist schwierige Situationen angepasst hat und sich aus eigener Kraft immer wieder neu erfand und erfindet.
Hintergrund:
Seit der Gründung des Regionalmanagements Erzgebirge in 2001 finden in regelmäßigen Abständen Regionalkonferenzen statt. Sie haben das Ziel, eine neue Periode in der Ausrichtung der inhaltlichen Arbeit mit relevanten Partnern vorzustellen und zu diskutieren. Die letzte Regionalkonferenz fand 2015 mit über 100 regionalen Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft im Bürgergarten in Stollberg statt. Dabei ging es inhaltlich vor allem darum, die Integration der Wirtschaft in den Prozess des Regional- und Standortmarketings vorzubereiten.
Dieses Vorhaben wird aus Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ durch den Freistaat Sachsen gefördert.