Großbritannien will offenbar Arbeitnehmerfreizügigkeit beenden
Ein geleaktes Strategiepapier aus dem britischen Innenministerium gibt erstmals detaillierte Hinweise auf eine mögliche Einwanderungspolitik nach dem EU-Austritt. Laut dem 82-seitigen Dokument, das dem Guardian zugespielt wurde und dort in voller Länge zu lesen ist, könnte das derzeitige Bleiberecht für die meisten EU-Ausländer beendet werden. Alle EU-Ausländer müssten bei der Einreise ihre Reisepässe vorzeigen, bislang genügen Ausweise. Wer mehrere Monate bleiben will, müsste eine Aufenthaltserlaubnis mit biometrischen Daten mitbringen.CrID: 107357468485Zudem beinhaltet das Strategiepapier weitere Auflagen zur Familienzusammenführung. Unter anderem sollen nur noch direkte Familienmitglieder wie Ehepartner und Kinder nachkommen dürfen. Außerdem müsste der in Großbritannien lebende Ehepartner mindestens 18.600 Pfund pro Jahr verdienen, was umgerechnet 20.400 Euro wären. "Das führt womöglich zur Trennung von Tausenden Familien", schreibt der Guardian.
Weiterhin soll die Arbeitnehmerfreizügigkeit gleich nach dem EU-Austritt beendet werden. Kleinteilige Auflagen sollen alle potenziellen Einwanderer abschrecken, mit Ausnahme von hochqualifizierten EU-Fachkräften. Diese sollen eine Arbeitserlaubnis von drei bis fünf Jahren erhalten. Niedrig qualifizierte Fachkräfte sollen dagegen ein maximales Aufenthaltsrecht von zwei Jahren erhalten. "Einwanderung soll nicht nur den Migranten nutzen, sondern auch bereits existierende Einwohner besserstellen", heißt es wörtlich.
Im Strategiepapier heißt es weiter, dass die Vorschläge noch der Zustimmung der Minister bedürfen und Gegenstand der Austrittsverhandlungen sein würden. Laut dem Guardian liegt es bereits mehreren leitenden Beamten und Ministern vor und hat zu Unruhen geführt. So würden viele Kabinettsmitglieder zugunsten der britischen Wirtschaft die Arbeitnehmerfreizügigkeit gerne beibehalten.
Die Frage nach dem Bleiberecht gehört zu den größten Streitpunkten der Brexit-Verhandlungen. Bereits im Juni hat die britische Regierung einen ersten Vorschlag vorgestellt: EU-Bürger, die zu einem noch zu bestimmenden Stichtag fünf Jahre ohne Unterbrechungen in Großbritannien gelebt haben, sollen nach dem Brexit einen "niedergelassenen Status" beantragen können. Damit könnten sie ihre Ansprüche auf Krankenversorgung, Bildung, staatliche Hilfen und Renten behalten. Wer zu diesem Zeitpunkt weniger als fünf Jahre in Großbritannien gelebt hat, soll zumindest bis zum fünften Jahr bleiben dürfen. Diese Vorschläge betreffen aber noch nicht neue Einreisewillige.
Die Premierministerin und frühere Innenministerin Theresa May hatte im Zuge der Austrittsverhandlungen versprochen, die Arbeitnehmerfreizügigkeit zu beenden und die Kontrolle über die EU-Immigration zurückzuerlangen. Der endgültige Austritt ist für Ende März 2019 angesetzt.
(Quelle: Zeit online)