Geplante Radon-Grenzwerte im Erzgebirge nicht realisierbar
Für das vor allem im Erzgebirge allgegenwärtige Radon will das Bundesumweltministerium erstmals Richtwerte für Häuser und Arbeitsstätten festlegen. Auslöser ist eine EU-Richtlinie von 2013, die Deutschland bis Anfang 2018 in Landesrecht umsetzen muss. Ein entsprechendes Gesetz soll nun bis zum Jahresende stehen. Doch nach einem ersten Entwurf würde bald ein Richtwert gelten, der das von der EU geforderte Niveau noch weit unterschreitet. Sachsens Regierung sowie betroffene Orte liegen deshalb mit Berlin überquer und fordern realistische Lösungen.Die EU fordert als Jahresmittel eine Belastung von nicht mehr als 300 Becquerel pro Kubikmeter Luft durch das radioaktive Edelgas Radon, ein Zerfallsprodukt des Urans. Diese Angabe soll für geschlossene Räume gelten. Die Maßeinheit sagt etwas über Menge und Stärke der Strahlung eines radioaktiven Stoffs aus. Die Bundesregierung will aber sogar nur 100 Becquerel pro Kubikmeter zulassen. "Das ist völlig utopisch", sagt Jens Müller, Bürgermeister von Bad Schlema. Schon 300 Becquerel seien eine enorme Herausforderung, um das Niveau mit jetziger Technik noch bezahlbar zu erreichen.
Hilfe bekommt er aus Schneeberg. In beiden Orten sind weit höhere Radon-Werte keine Seltenheit. "Bei Neubauten ist das geforderte Schutzniveau gut erreichbar", so Bürgermeister Ingo Seifert, "aber in vielen Altbauten völlig unrealistisch." Alexander Krauß, der CDU-Landtagsabgeordnete vor Ort, meint, dass dies "weder privaten Hausbesitzern noch Arbeitgebern zuzumuten ist". Da Altbergbau das Radon-Problem noch verschärfe, sei zu prüfen, "ob es für betroffene Städte Ausnahmen geben kann".
Sachsens Umweltministerium hat sich mit Bayern an Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) gewandt. Sie fordern, den EU-Wert nicht zu unterschreiten. Die 100er-Marke würde für die Bürger "einen unverhältnismäßig hohen Aufwand" darstellen. Der Fachverband für Strahlenschutz hält die Absicht des Bundes ebenfalls für überzogen. Ziel könne es nur sein, ein "hohes Risiko" zu reduzieren. Doch schon die durchschnittliche Radon-Belastung aller deutschen Wohnungen liege nach Angaben des Bundesamtes für Strahlenschutz bei 50 Becquerel pro Kubikmeter Luft.
"Radon ist überall", sagt Stephanie Hurst, die Fachfrau im Umweltministerium in Dresden. Es gehöre zum Leben, aber eben in Maßen. Sie spricht von "Fluch und Segen" des radioaktiven Gases. Sein Eindringen in Gebäude könne bei Neubauten durch Sperrfolien oder im Altbau durch verstärktes Lüften deutlich reduziert und reguliert werden.
Auf Dauer gilt Radon ab einer bestimmten Intensität aber als Gefahr. Die beim Zerfall von Radon entstehenden Partikel gelten als krebserregend. Auf ihr Konto sollen Studien zufolge etwa fünf Prozent aller Lungenkrebstoten pro Jahr in Deutschland gehen. Raucher seien überdurchschnittlich stark betroffen.
An dem scheinbaren Widerspruch zu Radon-Therapien, die unter anderem in Bad Schlema angeboten werden, forscht aktuell ein Konsortium von Instituten unter Federführung des Helmholtzzentrums für Schwerionenforschung Darmstadt. Die Therapie werde vor allem bei rheumatischen Erkrankungen eingesetzt, heißt es dort. Sie zeige bei vielen Patienten Erfolge, "ohne dass die medizinische Wirkungsweise bisher vollständig verstanden wird".
(Quelle: Freie Presse)