Ärztemangel in der Grenzregion
In Bärenstein, Königswalde und Oberwiesenthal fehlen Mediziner. Auch Ärzte aus Tschechien wollen dort nicht hin. Doch die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.Die Wartezimmer sind voll, der Bedarf ist da. Doch Ärzte sind Mangelware im ländlichen Raum. Während Patienten in Städten wie Annaberg-Buchholz recht gut versorgt sind, müssen die umliegenden kleineren Kommunen um jede Stelle ringen. Die Zeit spielt dabei gegen sie, denn immer wieder gehen praktizierende Ärzte in Rente oder ziehen weg. Aktuell brennt es in Bärenstein, Oberwiesenthal und Königswalde gleichzeitig.
Bärenstein : Im Sommer wurde im Bärensteiner Gemeindeamt gestrichen, gesägt und gehämmert – dort entstand in den vergangenen Monaten eine neue Arztpraxis. Diese ist mittlerweile sogar bezogen. Sie ist der Arbeitslatz von der Allgemeinmedizinerin Dr. Ulrike Bernhardt. Dennoch wird es in der Grenzgemeinde wohl bald zu Engpässen kommen, denn Dr. Gert Franke hört zu Beginn des nächsten Jahres auf und sucht nach einem Nachfolger für seine Praxis. Die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen (KVS) hat die Stelle zwar ausgeschrieben, bisher meldeten sich jedoch noch keine Interessenten. Auch Bemühungen von Bärensteins Bürgermeister Bernd Schlegel und Franke selbst blieben bislang erfolglos. „Noch nicht einmal Ärzte aus Tschechien wollen hierher“, sagt Franke. Die ausbleibenden Bewerber für seine Praxis erklärt er mit einem generellen Trend. „Junge Ärzte wollen heute lieber als Angestellte arbeiten.“ Dann sei das persönliche finanzielle Risiko geringer. Um die künftige medizinische Versorgung in Bärenstein ist er deshalb besorgt. Denn zwar praktiziere mit Doktor Bernhardt zumindest eine Ärztin in der Grenzgemeinde, doch alleine könne sie das Pensum künftig kaum stemmen.
Königswalde: Die Überraschung war groß in Königswalde, als Dr. Gabriele Rahmich im Frühjahr ihren Rücktritt verkündete. Eine langfristige Ausschreibung der Stelle war so nicht möglich – eine schnelle Krisenlösung musste her. Seitdem kümmert sich Bürgermeister und Landtagsabgeordneter Ronny Wähner (CDU) intensiv um Nachfolger. Um den Medizinern die Gemeinde schmackhaft zu machen, nahm Königswalde sogar einige Kosten auf sich, um im ehemaligen Schlecker-Markt zwei neue und moderne Arztpraxen einzurichten. Laut Ronny Wähner gibt es aktuell zwei Kandidaten, die gerne künftig in der Gemeinde arbeiten wollen. Namen möchte er jedoch noch nicht nennen. Wie weit die Sache allerdings wirklich gediehen ist, bleibt unklar. „Zum Vorhaben zweier Ärzte, sich in Königswalde vertragsärztlich niederzulassen, hat die KV Sachsen bisher keine Kenntnis“, heißt es aus der Pressestelle der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen.
Oberwiesenthal: Dr. Margarete Sipeer hört auf. Diese Nachricht war zwar abzusehen, versetzt aber dennoch viele Oberwiesenthaler in Angst und Schrecken – hatten sie sich doch an die mittlerweile 71-jährige Allgemein- und Sportmedizinerin gewöhnt, ihr Vertrauen geschenkt. Die Lücke, die die Ärztin hinterlassen wird, ist groß. Dr. Sipeer bemüht sich schon lange um einen Nachfolger für die Praxis. „Ich habe vor einem Jahr im Portal der KVS eine Annonce geschaltet. Es hat sich aber nichts getan“, erzählt die Ärztin. Weiterhin habe sie über verschiedene andere Wege nach einem Nachfolger gesucht. Beinahe klappte das auch. Eine junge Ärztin aus Tschechien, die selbst aus der Grenzregion stammt, wollte Dr. Sipeers Praxis gerne übernehmen. Zur Übergabe kam es jedoch nicht. Die junge Ärztin wurde schwanger und konnte die Praxis nicht mehr kaufen. Und nun? Auf der Internetseite der Kassenärztlichen Vereinigung wird weiter nach einem Nachfolger gesucht. Und Dr. Sipeer? „Ich werde arbeiten bis zum Jahresende“, sagt die Ärztin. Ihre Zulassung möchte sie dann Mitte Januar abgeben.
Der Bedarfsplan: Wenn es nach den Bedarfslisten der Kassenärztlichen Vereinigung geht, steht die Region rund um Annaberg-Buchholz recht gut da. Ärzte in sämtlichen Bereichen decken den errechneten Bedarf zu meist mehr als einhundert Prozent ab. In der Region Annaberg-Buchholz praktizierten zu Jahresbeginn 50,5 bedarfsplanrelevante Ärzte, der Versorgungsplan ist damit zu 105,9 Prozent gedeckt. Eigentlich müsste, zumindest laut Kassenärztlicher Vereinigung für jeden der 74.091 Bürger in der Region im Notfall ein Arzt zur Stelle sein. Seit Jahren steht allerdings der Ärzte-Verteilungsschlüssel in der Kritik. Dieser wurde kurz nach der Wende errechnet und hält aktuellen Anforderungen kaum mehr stand. Das zeigt zum Beispiel das Pensum, dass jeder Arzt trotz des statistischen Überangebotes zu bewältigen hat. Ein Hausarzt im Bereich Annaberg behandelte pro Jahr im Mittel 4376 Fälle, das sind rein rechnerisch zwölf Fälle pro Tag und 365 Fälle im Monat – dabei sind Wochenenden und Urlaub nicht eingerechnet.
(Quelle: Freie Presse)