19-Jährige findet hinter der Grenze ihre zweite Heimat
Immer mehr junge Deutsche gehen für ein Jahr als Freiwillige nach Tschechien. Eine Frau aus Eibau hat sich sogar zum Bleiben entschlossen. Inzwischen vertritt Anna Käsche sogar die Projektleiterin. „Wenn ihr Diensthandy klingelt, muss ich ran“, so die 19-Jährige. Im Moment schweigt es. Es folgt eine Besprechung mit ihrer Kollegin, dann hat sie etwas Zeit. Dass Anna Käsche entspannt in ihrem Büro sitzt und über ihren ersten festen Job erzählt, ist so normal nicht. Ihr Arbeitgeber heißt Dobrovolnicke centrum, also Freiwilligenzentrum, und befindet sich in Aussig/ Ústí nad Labem. Arbeitssprache: Tschechisch.„Dass ich nach dem Abi ein Freiwilligenjahr mache, war mir schnell klar. Auch, dass ich nach Tschechien will“, sagt sie. Bei ihren Freunden erntete sie Unverständnis. Das Land sei nicht attraktiv. Nun ist sie das zweite Jahr in Ústí und kann rückblickend nur darüber schmunzeln. Auch ihre Freunde haben eingesehen, dass sie hier glücklich ist. Sie kommt aus Eibau und besuchte das Gymnasium in Herrnhut. „Da ist Tschechisch zweite Fremdsprache. Unsere Lehrerin war Tschechin und unsere Klassenlehrerin, so machten wir viele Ausflüge ins Nachbarland. Ich konnte nicht oft genug dahin fahren.“ Einen Platz in Tschechien zu finden, war nicht schwer. „Es gibt mehrere Organisationen, die das vermitteln. Für mich passte der Paritätische am besten.“ Der Paritätische Wohlfahrtsverband Sachsen vermittelt Freiwillige bewusst nur nach Polen und Tschechien. „Jedes Jahr kommen zehn Jugendliche aus den Ländern zu uns, zehn gehen von uns nach Polen und Tschechien, ausschließlich in die jeweilige Grenzregion“, sagt Referent Gernot Mosig. Das gefiel auch Käsche. „Ich wollte nicht zu weit weg von zu Hause.“ Aber es sollte schon ein anderer Ort sein als Rumburk oder Liberec, wo sie sich schon auskannte. Deshalb fiel die Wahl auf Ústí. „Und im Freiwilligenzentrum konnte ich jeden Tag etwas anderes machen.“ Das passe zu ihrer Vielseitigkeit. Montags lehrte sie Deutsch, donnerstags und freitags ging sie ins Seniorenheim, um mit den Bewohnern Deutsch zu sprechen. Zudem betreute sie eine Kindergruppe aus sozial schwachen Familien. Und sprang als Dolmetscherin ein. Doch nach einem Jahr sollte noch nicht Schluss sein. „Ich hatte schon überlegt, wie ich weiter in Tschechien bleiben könnte. Für ein Studium fand ich es aber noch zu früh.“ Insofern kam das Angebot ihrer Chefin Lenka Cerna, in einem grenzüberschreitenden Projekt mit zu arbeiten, wie gerufen. „Es heißt ‚Fit fürs Leben‘ und ist ein Bildungsprogramm für sozial benachteiligte jugendliche Tschechen“, sagt sie. Dazu gehören Deutschunterricht, Bewerbungstraining und mehr. Für Gernot Mosig ist Anna Käsch ein Vorbild. Dem Paritätischen geht es nicht nur darum, Freiwilligendienst zu koordinieren. „Wir wollen gezielt grenzüberschreitende Kontakte fördern oder neu entstehen lassen, die Grenzregion für junge Menschen attraktiver machen“, sagt er. Das wird immer besser angenommen. Nur wenige Freiwillige sind aus Sachsen. „Da gibt es Reserven.“ Anna Käsch indes geht mit ihrem neuen Job den nächsten Schritt. „Ich habe mehr Verantwortung.“ In Ústí lebt sie in einer Dreier-Wohngemeinschaft, schwärmt von der Umgebung: „Drei Minuten Busfahrt bis in die Natur.“ An den Tschechen schätzt sie deren Offenheit. Nur die teils mangelnde Zuverlässigkeit habe sie anfangs genervt. „Wenn sie sagten, ich mache mit, hieß das nur: ‚Ich finde gut, was Du machst‘ – aber gekommen sind sie nicht. Inzwischenweiß ich das.“ Ihre Arbeit läuft für zwei Jahre. Danach will sie studieren: Lehramt Mathe und Physik – natürlich an der Uni in Ústí. „Deutsche mit Tschechisch-Kenntnissen sind gefragt“, weiß Anna Käsch. Tschechien ist eben attraktiv für sie.
(Quelle: Freie Presse)